Die Kantonalbank, die Kunst und die Kuratorin

Die «unberechenbar-kreative» Welt des Kunstschaffens und die «rechnerisch-exakte» Welt einer Kantonalbank: Können diese zwei miteinander? Katrin Sperry meint: unbedingt. Die Freischaffende Kuratorin betreut nationale Kunstwerke – und gibt ihnen in den BEKB-Standorten eine neue Heimat.

Frei im Ausdruck, unberechenbar, vielleicht auch chaotisch: Das sind Eigenschaften, die man problemlos mit der Welt der Kunst in Verbindung bringen kann. Korrekt im Umgang, buchhalterisch einwandfrei, gesetzlich geregelt: Diese Dinge passen wiederum eher zu einer Kantonalbank. Katrin Sperry, Kuratorin bei der BEKB, hat die spannende Aufgabe, diese zwei unterschiedlichen Welten unter einen Hut zu bringen. Sie verwaltet, integriert und erweitert den regionalen Kunstschatz der BEKB, der aktuell rund 2000 Werke umfasst.

Nicht bloss ein «Asset», sondern ein förderungswürdiger Wert

«Für Anlageberatende ist Kunst ein ‹alternatives Asset›, wie zum Beispiel auch Gold, mit dem man sein Vermögen diversifizieren kann», sagt Katrin Sperry. «Bei der BEKB hat Kunst jedoch ganz bewusst nicht diese Funktion.» Die BEKB engagiert sich als Kantonalbank für die Förderung der nationalen Kunstszene, mit Fokus auf den Berner und Solothurner Wirtschaftsraum. «Mit sorgfältig ausgewählten Kunstwerken verleihen wir unseren neu gestalteten Standorten ein individuelles Gesicht. Und wir sehen die dort ausgestellte Kunst als Geste der Wertschätzung – gegenüber unseren Mitarbeitenden, wie auch gegenüber unserer Kundschaft», sagt Sperry. Die Formate reichen von Kleinstwerken bis hin zu Arbeiten, die rund 3 Meter hoch sind, wie beispielsweise der Holzschnitt von Franz Gertsch am Standort Bern Bundesplatz. Zudem verfügt die BEKB über mehrere Kunst-am-Bau-Installationen. «Preislich bewegen sich die Werke zwischen wenigen hundert Franken bis in den sechsstelligen Bereich.»

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«Mit ausgewählten Kunstwerken verleihen wir unseren Standorten ein individuelles Gesicht – wie beispielsweise mit dem Holzschnitt von Franz Gertsch am Bundesplatz.»

Zwei unterschiedliche Welten – oder eine gelungene Symbiose?

«Für mich passen die Kunst- und die Bankenwelt in jeder Hinsicht zusammen», sagt Katrin Sperry. «Die Welt der Kunstschaffenden kann frei, offen oder chaotisch sein. Doch wir dürfen dabei nicht vergessen, dass Kunst auch harte Arbeit ist. Früher war es so, dass Kunstwerke von Banken sogar direkt in Zahlung genommen wurden – zum Beispiel, um die Raten für einen Kredit zu begleichen.»

Mit sorgfältig ausgewählten Kunstwerken verleiht Katrin Sperry den neu gestalteten BEKB-Standorten ein individuelles Gesicht. Doch welche Bedeutung und Funktion hat Kunst aus Sicht der studierten Kuratorin und Kulturwissenschaftlerin überhaupt? «Kunst ist eine sehr persönliche Form des Ausdrucks», so Sperry. «Künstlerinnen und Künstler drücken mit ihren Werken zum Beispiel eine Idee aus, offenbaren ihre Befindlichkeiten, zeigen ihren Blick auf die Welt – der auch durchaus politisch oder kritisch sein kann.»

Die Kunstwelt setzt sich also mit Fragen der Arbeits-(bedingungen), der Rolle der Familie, mit Krieg und Frieden, Wohlstand oder Armut oder sogar direkt mit dem Finanzplatz Schweiz auseinander. Alles Themen, welche die Gesellschaft betreffen und täglich beschäftigen. «Natürlich spielen auch das handwerkliche Können und die Ästhetik mit rein. Doch diese Dinge alleine machen nicht die zentrale Qualität aus».

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Gefühle wecken, zu Gedanken anregen – oder auch mal vor den Kopf stossen

«Ein Kunstwerk kann durchaus erfreuen, ohne dass einem der Grund dafür klar sein muss. Es kann in Sekunden ein Gefühl auslösen, das stunden- oder tagelang anhält», so Sperry. «Kunst kann uns als Gesellschaft zum Denken anregen, uns neue Horizonte eröffnen oder unsere tradierten Werte hinterfragen.» Sie könne uns zudem mit neuen Denkweisen bereichern, so dass wir gewisse Themen plötzlich mit anderen Augen betrachten. Kunstwerke können und sollen zudem irritieren, provozieren, vielleicht sogar öffentlichen Anstoss erregen, meint Sperry. «Dadurch werden gewisse Themen nämlich erst aufs Tapet gebracht und wir werden mit der Frage konfrontiert, was uns in dieser Welt wirklich wichtig ist.»

Wie wird man denn eigentlich Kuratorin bei der BEKB?

Katrin Sperry hat im Master Kulturwissenschaften studiert und anschliessend in unterschiedlichen Institutionen als Kuratorin gearbeitet. «Weil ich immer mehr freie Aufträge bekam, lockte mich dann der Gang in die Selbständigkeit.» Bei der BEKB hat die leidenschaftliche Kuratorin ein Teilzeitmandat inne, das sich zwischen 20 und 30 Prozent bewegt. «Die Bank hat mich besonders darum gereizt, weil sie ein Ort fernab des ‹Kunstkuchens› ist», sagt sie. Eine Welt, die einer ganz anderen Logik folge – wo aber genauso viele mögliche kunstinteressierte Menschen verkehren würden.

Aktuell arbeitet die BEKB auch an einer digitalen Lösung, mit der sich die Mitarbeitenden über die Kunst am jeweiligen Standort informieren und dieses Wissen an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben können.

Kunst am Bau: BEKB und Lang/Baumann spannen zusammen

Für den Standort Liebefeld arbeitete die Berner Kantonalbank mit dem international bekannten Schweizer Künstlerpaar Sabina Lang und Daniel Baumann zusammen. Ihr meist ortsspezifisches Werk umfasst Skulpturen, Installationen, grossflächige Wand- oder Bodenmalereien, aufblasbare Strukturen und architektonische Interventionen. Das Kunstwerk Perfect #2 mit seinen Sitzelementen und der energieeffizienten Leuchtwand steht seit 2022 allerdings nicht mehr im Liebefeld, sondern an einem neuen Ort – nämlich im Vorraum des Tresorraums in Biel.

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«Für das Kunstwerk Perfect #2 im Vorraum des Tresorraums in Biel arbeiteten wir mit dem international bekannten Schweizer Künstlerpaar Sabina Lang und Daniel Baumann zusammen.»

Dazu erzählt uns Katrin Sperry: «Als Ausgangslage diente uns eine veränderte Situation am Standort Liebefeld, wo das Werk Perfect #2 von Lang/Baumann bis 2022 zu stehen kam, sowie ein Umbau im Standort Biel, wo wir mit einem grossflächigen Raum konfrontiert wurden. Während die Wirkung der Arbeit im Liebefeld zusehends zu verschwinden drohte, erkannten wir sofort das Potenzial ihrer Entfaltung in Biel. Das Duo Lang/Baumann arbeitet stets mit modularen Elementen. Ihre Werke können sich je nach Kontext auch verändern, sich anpassen und neu wirken. Diese Haltung hat den Transport des Werks von Bern nach Biel nicht nur für uns, sondern auch für die Kunstschaffenden spannend gemacht. Heute erscheint Perfect #2, als wäre es schon immer für Biel angedacht gewesen – es passt sich wunderbar ein. Kundinnen und Kunden erfahren ein sinnliches, überraschendes und einzigartiges Erlebnis, wenn sie den Tresorvorraum betreten. Wir kriegen viele gute Rückmeldungen dazu. Auch ich selbst bin überrascht, wie sehr mich der Anblick von Perfect #2 jedes Mal aufs Neue erfreut.»